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Der Schwandorfer Blasturm

Der letzte Überrest einer einst ummauerten Stadt

Großes Glück hatte er, der Blasturm von Schwandorf. Mehr als ein halbes Jahrtausend hat er überstanden. Zum einen steht er nicht auf einer der vielbefahrenen Verkehrsadern der Stadt, sondern auf halber Höhe des Weinberges; dort war er niemandem im Wege - und die Spitzhacke verschonte ihn. Zum anderen ist er stabil gebaut, für einen Turmbau des ausgehenden Mittelalters recht geräumig, so dass man ihn zur Not auch als Wohnung einrichten konnte - und auch benützte. Auch das hinderte kühne Stadtplaner, den Abbruch von einem Tag auf den anderen durchzuführen. Schliesslich kam 1825 mit Ludwig I. in Bayern ein König an die Regierung, der den Gemeinden energisch verdeutlichte, dass man Zeugnisse der Vergangenheit erhalten müsse.


So steht der Turm noch heute neben der Auffahrt zum Weinberg, wuchtig, eindrucksvoll, der letzte augenfällige Überrest einer einst ummauerten Stadt. Ursprünglich hiess er Neuturm. Auf dem höchsten Punkt aller Befestigungsanlagen erbaut, diente er als Wachturm. Er besass keine Tordurchfahrt; der Türmer bewohnte die Räume hinter den schützenden Wänden.

Die Aufgabe des Türmers

Auch die Aufgabe des Türmers änderte sich im Laufe der Zeiten. Während er bis in die Jahre nach dem unseligen 30jährigen Krieg vornehmlich die wachsamen Augen auf die nähere Umgebung richtete, ob nicht von irgendwoher ein Soldatenhaufen angerückt kam, musste er später das Hauptaugenmerk den eng zusammengepferchten Dächern der Stadt widmen. Wehe, wenn irgendwo ein verdächtiges Wölkchen sich emporringelte oder gar die ersten Flammen züngelten! Man muss sich nur ein wenig hineindenken in das Leben einer Stadt vor wenigen hundert Jahren: Offenes Licht und offener Herd in den Wohnräumen, die Häuser klebten eng aneinander. An den Aussenwänden stapelte man das Brennholz. Noch duckten sich die Häuser unter schweren Stroh- und Schilfdächern. Nur die reichen Bürger liessen sie mit teuren Ziegeln decken. Wenn irgendwo ein Brandherd entdeckt war, musste jeder mit zupacken. Die Feuerschutzordnung von 1553 befahl jedem, "er sei Burger oder Inwohner, Knecht oder Maid", zu helfen und zu retten. Nur so konnte es gelingen, eine Katastrophe abzuwenden.

Der Türmer hatte ursprünglich das Feuerhorn zu blasen und damit die Leute zu rufen. Im helmbewehrten Türmchen hing später das Feuerglöckchen, mit dem bis spät ins 19. Jahrhundert zur Erinnerung an den Sieg über die Hussiten am Michaelitage 1433 täglich der "Hussaus" geläutet wurde.

Einer der Türmer war um 1800 Michael Kunz, dem 1812 in einer dämmrigen Stube ein Sohn Konrad Max geboren wurde. Die Erfindungen der Neuzeit erübrigten das Amt des Stadttürmers. Die Nachrichtentechnik lieferte schnellere und zuverlässigere Alarmeinrichtungen. Der Blasturm stand längere Zeit leer, nachdem der letzte Türmer Luschner verstorben war. Vor und unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg diente er als Heimatmuseum.



Zur 1000-Jahrfeier der Stadt im Jahr 2006 erfuhr der Blasturm eine völlig neue Innengestaltung als Dauerausstellung mit Vitrinen und Ausstellungsgegenständen. Auf Texttafeln wird über die Geschichte des Turmes, über das Türmerwesen und über Konrad Max Kunz informiert. Der Blasturm wurde zu einem Schmuckstück und ist der Höhepunkt bei den Stadtführungen.

Der Maler Carl Spitzweg

Eine besondere Auszeichnung erfuhr dieser Überrest der Stadtbefestigung durch den Maler Carl Spitzweg, der vor mehr als hundert Jahren (um 1858) eine Ölskizze anfertigte, die er "Schwandorfer Stadtturm im Mondschein" nannte.


Der Blasturm, dieses letzte, deutlich sichtbare Stück einer einst wehrhaften Stadt, hatte es auch ihm angetan. Er hiess die ersten Jahre "Neuturm", später "Blasturm", gelegentlich sagen alte Leute nach dem letzten Türmer auch "Luschnerturm". "Stadtturm", wie Spitzweg ihn bezeichnete, hiess er nie. Der Maler konnte das auch nicht so genau wissen. Er war ja nur auf der Durchreise.


Konrad Max Kunz

(* 29. April 1812 in Schwandorf;  † 3. August 1875 in München)

Vom Schwandorfer Türmersohn zum Münchner Chordirektor und zurück

Konrad Max Kunz wurde am 29. April 1812 als Sohn des städtischen Türmers im Blasturm in Schwandorf geboren. Von seinem Vater erhielt er den ersten Musikunterricht.

Er selbst berichtet davon, dass er schon als Bub mit ihm auf den Tanzfesten in und um Schwandorf regelmäßig gespielt hat. Nach dem Besuch des Gymnasiums begann Kunz am Lyzeum in Amberg Theologie zu studieren. Im dortigen Seminar wurde er von Johann Evangelist Deischer, der später die Renaissance der Kirchenmusik in Regensburg begründen sollte, unterrichtet.

1832 geht Kunz nach München, um hier sein Studium fortzusetzen. Nach zwei Semestern bricht er es jedoch ab und beginnt Jura zu studieren. Doch auch dieses Studium gibt er schließlich auf. Stattdessen schlägt er sich als Klavierlehrer und Chorleiter durch. In diesem Zusammenhang wird der Komponist und Münchner Generalmusikdirektor Franz Lachner auf ihn aufmerksam, der ihn schließlich als Chordirigent für das königliche Hof- und Nationaltheater empfiehlt.

Ab 1845 arbeitet Kunz 28 Jahre lang als Leiter der Chor- und Bühnenmusik am Theater und führt seinen Chor zu bis dahin nicht gekannten Höhen. Selbst Richard Wagner zollt ihm dafür Respekt und nennt seinen Chor einen der besten Opernchöre, wenn nicht gar den besten Opernchor in ganz Europa. Parallel dazu macht sich Kunz als Dirigent und Komponist in der Chor- und Sängerbewegung des 19. Jahrhunderts einen Namen. Seine Chorkompositionen werden europaweit und in Übersee gesungen. 1855 wird er musikalischer Leiter der Münchner "Bürger-Sänger-Zunft" (BSZ), der damals wahrscheinlich bedeutendsten kulturell-bürgerlichen Vereinigung der Stadt.

Für die BSZ vertont er im Herbst 1860 das Gedicht "Für Bayern" des Lehrers und Zunftmitglieds Michael Öchsner, das am 15. Dezember 1860 zum ersten Mal öffentlich gesungen wird. Zwei Jahre später organisiert Kunz eine Verfassungsfeier zur Erinnerung an die erste bayerische Verfassung von 1818, bei der das Lied ebenfalls vorgetragen wird. Längst ist dieses "Gott mit dir, du Land der Bayern" da freilich schon Volkshymne und so etwas wie die heimliche bayerische Nationalhymne.

Konrad Max Kunz stirbt am 3. August 1875 und wird auf dem Münchner Südfriedhof beigesetzt. Von dort wurden seine sterblichen Überreste 1979 zurück in seine Heimatstadt Schwandorf überführt.

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 Die Bayernhymne                                                                        

Gott mit dir, du Land der Bayern, deutsche Erde, Vaterland!
Über deinen weiten Gauen ruhe seine Segenshand!
Er behüte deine Fluren, schirme deiner Städte Bau
und erhalte dir die Farben seines Himmels weiß und blau!

Gott mit dir, dem Bayernvolke, dass wir, uns´rer Väter wert,
fest in Eintracht und in Frieden bauen uns´res Glückes Herd!
Dass mit Deutschlands Bruderstämmen einig uns ein jeder schau,
und den alten Ruhm bewähre unser Banner weiß und blau!   

                          

Der Blasturm heute

Heute ist das Wahrzeichen der Stadt nicht nur bei den Touristengruppen beliebt, die Schwandorf im Rahmen einer Stadtführung besuchen, sonder ist oftmals auch Ziel von Spaziergängen der Schwandorfer Bürger. Von der neugestalteten Aussichtsplattform am Fuße des Turms bietet sich ein wunderschöner Ausblick auf die Große Kreisstadt.

In regelmäßigen Abständen finden auch kostenfreie Blasturmführungen statt, bei denen der Turm auch von innen besucht werden kann.

In unmittelbarer Nachbarschaft steht das sogenannte Türmerhaus, das durch den Oberpfälzer Waldverein - Zweigverein Schwandorf e.V. liebevoll restauriert wurde. Hier entstand eine neue Wander- und Pilgerstation, die den Gästen der Großen Kreisstadt als zusätzliche Informations- und Anlaufstelle dienen soll.